Nomadisches Leben

Mein Sommerplatz

Früher – und auch heute noch – wird bei den Nomaden der gesamte Hausrat verpackt, verschnürt und auf dem Rücken der Kamele transportsicher festgezurrt, um weiterzuziehen. Zum Sommer- oder Winterplatz, um dort das Lager aufzuschlagen…

Bei mir ist das ähnlich, nur dass mein Kamel motorisiert ist und sich auf Schwielensohlen aus Gummi fortbewegt. Ob die Reise in den Winter oder Sommer führt, bestimmt, was verpackt und verschnürt wird.

Mir liegt das nomadische Leben sehr, das ich seit 2019 führe. Besonders diese Räume des Dazwischen, haben den Reiz, Gewohnheiten und alltägliche Rituale aufzudecken, und geben Gelegenheit sich neu zu sortieren…

Nomaden kennen diese Räume des Dazwischen sehr gut und sind damit im Einklang. Die Räume sind vielschichtig und ungezwungen, beziehen sich auf Örtliches und Zwischenmenschliches; und sie sind sehr in Schwingung mit der Natur.

Während der Sommermonate wohne ich in meinem selbstgebauten Holzhäuschen, mitten in der Natur Transdanubiens. Nach sechs Jahren Handwerksarbeit, sehr viel im Alleingang unter Anleitung von unzähligen YouTube-Doityourself-Videos, ist es jetzt (fast) fertig. Experimentierfreudig und frei nach dem Motto: try and error, habe ich gebaut.
Es war und ist ein lehrreicher Therapieplatz, freudvoller Spielplatz, sagenhafter Kraftplatz und liebevoller Heimatplatz… und immer wieder packt mich hier auch der »Ungarnkoller«, so habe ich diese Gemütsverstimmung genannt. Er scheint die Aufgabe innerer Reinigung zu haben und bremst ungesunden Aktionismus, der sich Angesichts der fast übermächtigen Mäharbeiten schon mal einschleichen kann. Zwei Tage »Ungarnkoller« machen demütig und bringen auch eine tiefe Gelassenheit zurück…

Der Sommerplatz ist ein Ankommen. Für eine Weile. Und er bietet viel Freiheit zu Sein. In Ungarn ticken die Uhren langsamer als in Deutschland, das entschleunigt und unterstützt, fast nebenbei, den Prozess der Bewusstseinsentwicklung.

Dieses traumhafte Stückchen Land trägt uralte Bäume, zig Meter hoch und mit zwei Personen umärmelbar. Sehr präsent sind hier die Linden – meine Lieblingsbäume. Über dem ganzen Kraftplatz hier, schwebt die liebevolle Energie der Lindenbäume. Besonders in der Frühlingslebenspracht, wenn der Wind, goldgelb lichtdurchflutete Wolken aus Blütenstaub über die Weiten wirbelt, untermalt vom Gesumse der Bienenscharen, ist dieses Paradies weltbeglückend…

© 2024 - farblosblau | Carmen Berger